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Keine Staatsgarantien für Umweltzerstörung und Vertreibung

(Berlin, 2.2.2007) Rund 250 Demonstranten haben am Freitag abend in Berlin gegen den Bau des Ilisu-Staudamms in der Südosttürkei demonstriert. Der Protestzug vom Bundesaußenministerium zum Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit richtete sich insbesondere gegen die Zusage der Bundesregierung, der Stuttgarter Baufirma Züblin Hermes-Bürgschaften in Höhe von 100 Millionen Euro zu gewähren. Vertreibung, Umwelt- und Kulturzerstörung sowie eine Verschärfung des Wasserkonflikts in Nahost wären Folgen des Projekts. Dennoch hatte die Bundesregierung im vergangenen Dezember mit einer Grundsatzzusage signalisiert, das Vorhaben unterstützen zu wollen. Die an die Zusage geknüpften Auflagen, die das Projekt mit internationalen Standards in Einklang bringen sollen, hält die Regierung jedoch geheim.

Die Bundesvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen Claudia Roth forderte: "Das Kulturerbe der Menschheit darf nicht für ein Projekt von wenigen Jahrzehnten Lebensdauer überflutet werden. Auch Auflagen können dieses Problem nicht lösen. Es darf daher keine Hermesbürgschaft für dieses Skandalprojekt geben."

"Als Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen lassen wir uns nicht mit nicht nachprüfbaren Versprechungen ruhig stellen", stellte Heike Drillisch von der globalisierungskritischen Organisation WEED klar. "Die Auflagen müssen umgehend veröffentlicht werden." Sie kündigte weitere Proteste an, bis internationale Standards nachgewiesenermaßen eingehalten würden.

"55.000 Menschen vor Ort fordern Mitsprachemöglichkeiten über ihr weiteres Schicksal", ergänzte Ercan Ayboga von der Bürgerinitiative gegen den Staudammbau aus der überwiegend kurdisch besiedelten Südosttürkei. "Die Bundesregierung darf ihre Rechte nicht mit Füßen treten." Praktisch niemand vor Ort befürworte das Projekt.

"Es liegt noch nicht einmal eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung für das Ilisu-Projekt vor", kritisierte der naturschutzpolitsche Sprecher Lutz Heilmann von der Bundestagsfraktion Die Linke. "Wie kann die Bundesregierung auch nur erwägen, eine Bürgschaft für das Vorhaben zu vergeben?"

Die grüne Bundestagsabgeordnete Ute Koczy ergänzte: "Dezentrale Stromproduktion aus Solarkraft und anderen erneuerbaren Energiequellen sowie nachhaltige Tourismusentwicklung würden die Region wirklich voranbringen. Die Bundesregierung muss helfen, die Schätze des Tigristals zu heben - aber nicht, sie zu zerstören."

Nähere Informationen: Heike Drillisch, 0177 - 345 26 11, heike.drillisch@weed-online.org

Zum Hintergrund: Im Dezember 2006 wurde bekannt, dass die Bundesregierung dem deutschen Bauunternehmen Züblin eine Grundsatzzusage für eine Hermesbürgschaft für den Ilisu-Staudamm gegeben hat. Der Staudamm soll den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und Irak aufstauen. Die türkische Regierung erhielte damit ein weiteres Machtpotenzial gegenüber den Nachbarländern Irak und Syrien. Wertvolle Kulturgüter, darunter die mindestens 9.000 Jahre alte Stadt Hasankeyf, sollen unter den Fluten des Stausees versinken. Nur wenige Monumente würden in einen Archäologiepark verlegt werden. Zahlreiche seltene Tierarten würden ihren Lebensraum verlieren, ohne dass dies bisher umfassend untersucht oder Ausgleichsmaßnahmen konzipiert wurden. Weitere Studien über die Umweltauswirkungen sind daher Teil der an die Grundsatzzusage geknüpften Auflagen, müssen aber nicht vor der endgültigen Bürgschaftsentscheidung vorgelegt werden. Bisher ist zudem nicht bekannt, wohin die 55.000 betroffenen Menschen umgesiedelt werden und wovon sie dort ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Nichtregierungsorganisationen befürchten, dass der größte Teil von ihnen ein Leben in Armut führen wird. Dies würde die sozialen Spannungen im Südosten des Landes, in dem es erst im März 2006 zu massiven Auseinandersetzungen zwischen der überwiegend kurdischen Bevölkerung und Sicherheitskräften kam, weiter verschärfen.

Der Aufruf zur Demonstration wurde unterstützt von: Mesopotamischer Kurdischer Kulturverein Berlin e.V., ISKU - Infostelle Kurdistan e.V., YXK- Verband der Studierenden aus Kurdistan e.V., Zanin - Kurdischer Studierendenverein Hannover e.V., Verein der freien Frauen aus Mesopotamien e.V., Kurdistanhilfe e. V., Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED) e.V., urgewald e.V., Foodfirst Information & Action Network (FIAN) e.V., International Rivers Network (IRN), Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) e.V., Bündnis 90 / Die Grünen Bundesvorstand sowie Landesverband Berlin, Linkspartei.PDS Berlin

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