Bundestagskandidaten im Nachhaltigkeitstest
Mit der Flut an der Elbe und dem Nachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg hat das Thema Umwelt in der Öffentlichkeit wieder Oberwasser gewonnen. Nichtregierungsorganisationen wollten wissen, inwieweit Politiker bereit sind, auch in der Wirtschaftsförderung konkret ökologische Belange zu berücksichtigen. Sie führten bundesweit eine Umfrage unter den Bundestagskandidaten durch, um zu erfahren, ob sie sich künftig für mehr Transparenz, Umwelt- und Sozialstandards sowie Ausschlusskriterien bei Hermesbürgschaften, Investitionsgarantien und staatlichen Exportkrediten einsetzen werden. Die Ergebnisse liegen nun vor. "Zwar entdecken gerade alle Politiker ihr Herz für den Umweltschutz", erklärt Swaantje Fock von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald, "unsere Umfrage zeigt jedoch, dass diese Begeisterung schnell vorbei ist, wenn es an Wirtschaftsthemen geht."
165 Kandidaten der fünf im Bundestag vertretenen Parteien antworteten und belegen deutliche Unterschiede in Programmatik und eigenständiger Meinung. Vor allem in der SPD gehen die Ansichten zwischen Basis und Parteiführung auseinander: Die SPD-Spitze bekräftigt, mit den Hermes-Leitlinien von 2001 sei bereits alles Erforderliche erreicht, während die sozialdemokratische Basis weiteren Handlungsbedarf sieht, um etwa durch mehr Transparenz künftig Fehlentscheidungen und Konflikte zu verhindern. Die Grünen, obwohl sie die Hermes-Leitlinien mitgetragen haben, sehen deutlich die Schwächen der bestehenden Regelung. Sie versprechen weitere Reformaktivitäten, sollten sie an der kommenden Regierung wieder beteiligt sein. "Die Antworten der Koalitionspartner zeigen, dass die Hermesleitlinien auch intern als unzureichend bewertet werden. Nachbesserungen sind dringend nötig", erklärt Heike Drillisch von der Entwicklungsorganisation WEED. Diese Kritik vertrat in der letzten Legislaturperiode besonders die PDS, die dementsprechend die Forderungen der NRO umfassend unterstützt. Kandidaten der CDU und FDP antworteten mehrheitlich mit je einem gleichlautenden Standardbrief. Sie zeigen nur eingeschränkten Reformwillen und betonen, dass Außenwirtschaftsförderung primär ein Instrument zur Förderung der deutschen Exportindustrie sei und bleiben müsse, weshalb sie eine starke Integration von Umwelt- und Sozialaspekten ablehnen. "Dass Transparenz, Umwelt- und Sozialstandards ein wirksamer Garant und Schutz vor Fehlentscheidungen sein können, scheint in den Köpfen von CDU- und FDP-Kandidaten noch nicht angekommen zu sein", bewertet Regine Richter von urgewald diese Aussagen.
Schon in der Vergangenheit sorgten Hermesbürgschaften, zuständig für die Absicherung deutscher Exporte gegen wirtschaftliche und politische Risiken in Entwicklungs- und Schwellenländern, innerhalb und zwischen den Parteien für Auseinandersetzungen. So übte die SPD zu Kohls Ära noch harsche Kritik an der Vergabepraxis und verurteilte staatliche Rückendeckung für den umstrittenen Drei-Schluchten-Staudamm in China. Kaum an die Regierungsmacht gekommen, wandelten die Sozialdemokraten ihren Sinn und vergaben selbst Bürgschaften für das Projekt, obwohl sich inzwischen viele der Befürchtungen bewahrheitet hatten. Hermes-Unterstützung für einen Atomkraftwerksneubau in China, vom grünen Außenminister abgesegnet, bescherte diesem heftige Schelte aus den eigenen Reihen. Und zwischen den rot-grünen Koalitionspartnern sorgte die Reform der Hermesbürgschaften für diverse Auseinandersetzungen, bei denen der kleinere Partner schließlich unterlag, so dass im April 2001 die wenig verbindlichen neuen Hermes-Leitlinien verabschiedet wurden. Hier schließt sich der Kreis, denn die Leitlinien veranlassten wiederum die CDU zu der Kritik, diese würden die Bürgschaftsvergabe unnötig verkomplizieren, da schon vorher verantwortliche Prüfungen der abzusichernden Projekte stattgefunden hätten. "Diese Prüfungen haben jedoch unter der Kohlregierung weder die ersten Bürgschaften für den Drei-Schluchten-Damm, noch für andere umstrittene Großstaudämme, Atomkraftwerke und Rüstungsexporte verhindert", wertet Heike Drillisch diese Aussage. "Nachdem es auch in der SPD eine Strömung gibt, die sich für eine weitere Hermesreform einsetzen will, verspricht das Thema Hermesbürgschaften auch in der kommenden Legislaturperiode für einige Auseinandersetzungen gut zu sein, sei es in einer weiteren rot-grünen Koalition, oder durch eine kritische Opposition", wagt Regine Richter einen Ausblick.
Weitere Informationen:
- Regine Richter, urgewald, 030-44339169
- Heike Drillisch, WEED, 02263-481047