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Countdown läuft für Baku-Ceyhan Pipeline

(Berlin, 14.10. 2003) Ende Oktober soll in der Weltbank über mögliche Kredite für die umstrittene Ölpipeline von Baku, Aserbaidschan nach Ceyhan, Türkei (1) entschieden werden. Im Vorfeld haben 15 internationale Nichtregierungsorganisationen eine detaillierte Analyse der Umweltverträglichkeitsprüfung für den türkischen Teil der Pipeline vorgelegt. Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass das Projekt alle relevanten Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank bricht und dies in mindestens 153 Fällen. Vor allem im Bereich Konsultation stellt die Analyse zahlreiche Brüche der Weltbankstandards fest: so wurden nur 2% der Projektbetroffenen persönlich konsultiert, die Kompensation fiel deutlich niedriger als versprochen aus und Landbesitzer wie -nutzer konnten die Kompensationshöhe nicht aushandeln, wie nach türkischen Recht eigentlich vorgesehen. Lokale Bedenken wurden nicht in den geplanten Verlauf der Pipeline aufgenommen. "Die zahlreichen Brüche der Weltbankstandards und die mangelnde Berücksichtigung lokaler Einwände, stellt die gesamten Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung in Frage", urteilt Regine Richter von der Umwelt und Menschenrechtsorganisation urgewald. "Wenn die Weltbank trotz dieser Unstimmigkeiten wie geplant Ende Oktober das Projekt bewilligt, führt sie ihre eigenen Standards ad absurdum!". Die Nichtregierungsorganisationen (NRO) fordern deshalb die Weltbank auf, keine Kredite zu vergeben, wenn nicht weitreichende Änderungen in Projektdesign und -umsetzung gemacht werden.

Denn nicht nur hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Türkei gibt es gewichtige Bedenken: In Georgien ist eine Klage gegen die Umweltgenehmigung für das Projekt vom Gericht akzeptiert worden und anhängig. Die Klage richtet sich gegen die Genehmigung des Verlaufs der Pipeline durch die Randzone des Borjomi-Nationalparks, die zudem im Wassereinzugsgebiet einer bedeutenden Mineralwasserquelle liegt. Obwohl nach georgischem Umweltrecht in solchen Gebieten keinerlei industrielle Aktivitäten stattfinden dürfen, hat BP Präsident Schewardnadse und die Umweltministerin unter Druck gesetzt und so die Umweltgenehmigung erhalten. Ebenso ist in Aserbaidschan gerade Beschwerde bei Weltbank und Osteuropabank erhoben worden wegen weitreichender Korruption beim aserbaidschanischen Partner des BTC Konsortiums (2). Zudem untersucht die Europäische Kommission zur Zeit, ob die zwischen der Türkei und dem BTC-Konsortium abgeschlossenen Gastlandsabkommen den Beitrittsabkommen der Türkei mit der EU widerspricht.

Das Weltbankmanagement will das Projekt trotz der Einwände, Verfahren und Untersuchungen Ende des Monats zur Entscheidung stellen. Die NRO fürchten, dass dies am politischen Druck liegt, den sowohl der Projektsponsor BP als auch die USA ausüben. Letztere haben an der Pipeline vor allem geostrategisches Interesse, da sie die Ölquellen im kaspischen Meer nutzen wollen, um unabhängiger von Öl aus Russland und aus dem Nahen Osten zu werden. "Wenn das Projekt jetzt einfach durchgedrückt wird, kommen Gelder, die eigentlich der Armutsbekämpfung dienen sollen, dem Multi BP zugute", erklärt Heike Drillisch von der umwelt- und entwicklungspolitischen Organisation WEED. "Dabei braucht BP die Gelder gar nicht, sondern will nur das Gütesiegel der Weltbank. Dazu sollte sich die Institution nicht missbrauchen lassen!" Darum sind aus Sicht der Nichtregierungsorganisationen nun die Aufsichtsgremien der Weltbank gefragt. "Die Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul hat einen gewichtigen Einfluss in der Weltbank", so Regine Richter, "den sollte sie nun nutzen, um einen solchen Missbrauch von Entwicklungsgeldern zu verhindern!"

Kontakt:
Regine Richter, urgewald, 0170-2930725, 030-44339169
Heike Drillisch, WEED, 030- 275 82 249

Überblick über die NGO-Analyse der Umweltverträglichkeitsprüfung (5 Seiten, englisch)

Eine Zusammenfassung der UVP-Analyse (38 Seiten, englisch) ist der angehängten pdf-Datei: EIA_ critique_summary zu entnehmen.

Die komplette UVP-Analyse (363 S., 4,59 MB, englisch) ist bei Heike Drillisch erhältlich.

Hintergrund: (1) Die Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC) Pipeline soll Öl aus dem kaspischen Meer (aus dem Azeri-Chirag-Gunashli Ölfeld) von Aserbaidschan über Georgien in den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan transportieren. Ein von BP geführtes Konsortium aus insgesamt 11 Firmen will das Öl auf westliche Märkte bringen, ohne den Iran oder Russland zu durchqueren. Dazu soll eine etwa 3 Mrd. US-Dollar teure Pipeline von 1760 km Länge gebaut werden, die in Aserbaidschan 21 große Flüsse überqueren wird sowie durch ein fragiles Wüstenökosystem und seismisch sehr aktive Gegenden laufen soll. In Georgien soll die Pipeline sechs große Flüsse überqueren und durch Gegenden verlaufen, die anfällig sind für Erdrutsche und Erdbeben, zudem liegen dort längs des Pipelineverlaufs wertvolle Wälder mit seltenen und bedrohten Arten. Das Projekt ist jedoch nicht nur wegen seiner möglichen Umweltauswirkungen hoch kontrovers, sondern auch wegen seines Verlaufs durch ethnische Konfliktzonen (Aserbaidschaner-Armenier, Georgier-Russen, Kurden-Türken), mögliche Menschenrechtsverletzungen (massive Bedrohung von Projektkritikern in Aserbaidschan und der Türkei) und der Militarisierung der Region zum Schutz der Pipeline vor Anschlägen.

(2) Die aserbaidschanische Ölfirma SOCAR hält 25% im BTC-Konsortium, dessen größter Anteilseigner BP mit 30% ist, neben Unocal Corporation, ConocoPhillips und Amerada Hess Corporation (alle USA), TotalFinaElf (Frankreich) und Agip-Aserbaidschan eine Tochtergesellschaft der ENI-Gruppe (Italien) sowie die norwegische Statoil, die japanische Itochu, Turkish Petroleum und INPEX.

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