Die Verhandlungen über das EU-Indien Freihandelsabkommen müssen gestoppt werden. Die Gesundheit und die Existenzgrundlage von Millionen von Menschen stehen auf dem Spiel.
Brüssel, 05.10.2010: Zivilgesellschaftliche Gruppen appellieren an die Europäische Kommission und die indische Regierung die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen unverzüglich abzubrechen. In einem offenen Brief warnen mehr als 100 Organisationen vor den negativen Auswirkungen des geplanten FTAs. Weitere Liberalisierungsmaßnahmen bedrohen die Lebensgrundlage vieler Menschen; nicht nur in Indien, sondern auch in Europa. Die ohnehin schon besorgniserregende Armutssituation in Indien wird sich weiter verschlechtern und eine nachhaltige und sozial gerechtere Entwicklung des Schwellenlandes damit aufs Spiel gesetzt [1].
Der große, offizielle EU-Indien-Gipfel wird zwar erst Anfang Dezember in Brüssel stattfinden. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit treffen sich jedoch bereits morgen in Neu-Delhi die Spitzen der EU und Indiens. Die Verhandlungen scheinen gut voran zu kommen. Angeblich, um den Erfolg des Abkommens nicht zu gefährden, werden der Zivilgesellschaft bislang Details des Abkommens bewusst vorenthalten. Indische und europäische Nichtregierungsorganisationen forderten deshalb auf einer Pressekonferenz in Brüssel mehr Transparenz bei den bisherigen Hinterzimmerverhandlungen. Zudem müssen die Interessen der Gesellschaft, und nicht die der Großkonzerne, ins Zentrum der Verhandlungen gerückt werden.
Untersuchungen zivilgesellschaftlicher Organisationen belegen den immensen Einfluss der Großunternehmen auf die indisch-europäische Handelspolitik. Auf Kosten der Kleinbauern, Fischer, Straßenhändler und dem Kleingewerbe [2] wird den Interessen transnationaler Konzerne Priorität geschenkt, völlig ungeachtet dessen, dass die Gesundheit zahlreicher Menschen auf dem Spiel steht [3].
Dharmendra Kumar, Vorsitzender der indischen Nichtregierungsorganisation FDI Watch, teilte auf der Pressekonferenz mit:
"There is a terrible irony in the world’s two largest supposed democracies secretly negotiating a trade agreement which will be potentially disastrous for peoples’ rights, livelihoods and for the environment. Big businesses from the EU and India have captured the agenda for these talks, at the expense of wider society. This capture is wrong and we demand an immediate halt to the negotiations. Governments must put people before profit."
Wim De Ceukelaire von der "Belgian Platform for Action on Health and Solidarity" machte auf die negativen Auswirkungen eines stärkeren Patentschutzes auf den Zugang zu Medizin aufmerksam:
"India is known as the pharmacy of the developing world. It would be an outrage for Europe to undermine the Indian drug industry’s capacity to provide cheap and safe medicines to poor countries through this agreement - but that is what the EU seems to be doing."
Priti Darooka, Geschäftsführerin des "Programme on Women’s Economic Social and Cultural Rights" (PWESCR) betonte hingegen, dass die Liberalisierung in direktem Konflikt mit Programmen der indischen Regierung steht, welche ins Leben gerufen wurden, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Arbeitnehmerrechte zu stärken:
"The Indian government promises to provide universal basic rights including the right to food, education, health, social security and work, and yet we have a free trade agreement with which the European Union will deny people, especially women precisely these same rights. It is like the right hand gives but the left snatches it away.”
Die Pressekonferenz fand im Anschluss an das "Asia Europe People’s Forum” in Brüssel statt, bei dem Leute aus Asien und Europa zusammenkamen, um über "Building States of Citizens for Citizens" zu diskutieren [4]. Der Aufruf kommt zu Beginn einer 2-tägigen Konferenz in Brüssel "Beyond free trade - alternatives for decent work” [5], die von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen organisiert wird und ebenfalls in Brüssel stattfindet.
Kontakt:
Nicola Jaeger
WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e. V.
Tel.: +49 (0)30 - 275 82 614
E-Mail: Nicola.jaeger@weed-online.org
Infos und Literatur:
[1] Die letzte Möglichkeit dem Angriff auf die Menschenrechte durch das FTA zuvor zu kommen. Indische und europäische Nichtregierungsorganisationen rufen zur Solidarität auf. siehe: www.corporateeurope.org/global-europe/content/2010/10/call-halt-eu-india-fta-talks
[2] "Trade Invaders. How Big Business is Driving the EU-India Trade Negotiations”, veröffentlicht von Corporate Europe Observatory und India FDI Watch, September 2010 siehe: www.corporateeurope.org/global-europe/content/2010/09/eu-india-trade-invaders
[3] "The EU’s Bilateral FTA Negotiations are a Threat to the Right to Health”, veröffentlicht von Platform for Action on Health and Solidarity - Working Group on North-South Solidarity Issues, April 2010 siehe: www.gezondheid-solidariteit.be/files/Briefing%20paper%20FTAs%20andHealth_final.pdf
[4] Das"Asia Europe People's Forum” vom 2. bis 5. Oktober 2010 fand parallel zum Asien-Europa-Treffen (ASEM) statt. siehe: www.aepf.info/
[5] Die Konferenz in Brüssel findet vom 5. bis 6. Oktober 2010 statt. siehe: www.weed-online.org/themen/3957925.html