Eckpunkte für eine IWF-Reform und die Neuordnung des internationalen Finanzsystems
Nach dem unseligen Gezerre um den Chefposten beim Internationalen Währungsfonds (IWF) steht endlich die dingend notwendige Reform des IWF auf der Tagesordnung. Inhaltliche Aspekte wie die Abkehr von der bisherigen Stabilisierungs- und Strukturanpassungspolitik, die künftige Rolle des IWF in der internationalen Finanzarchitektur und die Demokratisierung des IWF müssen endlich angegangen werden, fordert WEED heute bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Oxfam in Berlin. Ein deutlich redimensionierter IWF sollte dabei im Vordergrund der Reformbemühungen stehen.
"Alle Reformvorschläge müssen sich daran messen lassen, ob sie zum einen die Bekämpfung der Ursachen der Finanzkrisen ins Visier nehmen und zum anderen die Überwindung der Armut in den Entwicklungsländern erreichen helfen" fordert Barbara Unmüßig, Vorstandsvorsitzende von WEED. Die jüngsten Vorschläge aus den USA (US-Finanzministerium, Meltzer Report) adressieren die Ursachen des Scheiterns der bisherigen IWF-Politik nur unzureichend. Außerdem reden sie marktradikalen Ansätzen das Wort, die jedoch schon immer die Auflagenpolitik der IWF-Stabilisierungs- und Strukturanpassungsprogramme geprägt haben. Gerade deren negativen ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgen gilt es jedoch aus Sicht von WEED durch eine entsprechende Neuausrichtung der IWF-Politik zu überwinden. Überhaupt nicht einbezogen in die US-Reformvorschläge ist die dringend notwendige Demokratisierung des IWF.
Abkehr von der bisherigen Strukturanpassungspolitik
Die bisherige Politik des IWF, die Kreditvergabe in Krisensituationen an Auflagen wie Importliberalisierung, Privatisierung, weitere Öffnung gegenüber ausländischem Kapital und die Reduzierung öffentlicher Ausgaben zu binden, zwingt die betroffenen Länder häufig zu einschneidenden wirtschaftspolitischen Kursänderungen. Statt die Kreditvergabe an solche Strukturanpassungsmaßnahmen zu binden, die die Krisen vielfach noch verschärft und ihre sozialen und ökologischen Kosten weiter in die Höhe getrieben haben, sollte der IWF sich primär auf die Aufgabe konzentrieren, seine Mitgliedsländer bei der Überbrückung von Zahlungsbilanzproblemen zu unterstützen. Die Herausforderung hierbei ist jedoch, dass auch die kurzfristigen monetären und fiskalischen Maßnahmen der Stabilisierungsprogramme in eine armuts- und umweltorientierte Entwicklungsstrategie integriert werden müssen.
Demokratisierung des IWF: Die derzeitige Stimmrechtsverteilung, bei der die G 7 Staaten und alle anderen EU-Länder zusammen 54 Prozent der Voten halten, steht für ein veraltetes undemokratisches System. Wenn die Länder tatsächlich mehr Eigenverantwortung für ihre Stabilisierungsprogramme übernehmen sollen, muss die Aufwertung der Position der armen und der Schwellenländer oberste Priorität genießen.
Kernelemente einer Regulierung der Finanzmärkte
Die Asien- und Russlandkrise hat ein neues Kapitel in der Diskussion um die Regulierung der internationalen Finanzmärkte aufgeschlagen. Die u.a. vom IWF eingeleiteten Schritte im Rahmen einer Neuordnung der Finanzmärkte (verbesserte Informationssysteme und Bankenaufsicht) zielen aus Sicht von WEED immer noch zu wenig oder gar nicht auf die Verhinderung von Finanzkrisen ab. Für einen Großteil der Maßnahmen zur Regulierung des Finanzmarktes wird auch dem IWF in Zukunft eine Rolle zukommen. Kernelemente für eine Regulierung sind:
Selektiver Einsatz von Kapitalverkehrskontrollen: Um den Kapital- und Devisenzu- und abfluss zu regulieren, können Kapitalverkehrskontrollen wirksame und sinnvolle Instrumente sein. Dies gesteht mittlerweile auch der IWF ein, nach dem er bislang ausschließlich Kapitalverkehrsliberalisierungen propagiert hat. Die Entscheidungsmacht muss jedoch vor allem bei den nationalen Regierungen und nicht beim IWF liegen.
Einbeziehung des Privatsektors in das Krisenmanagement: Im Gegensatz zur bisherigen Praxis, die Verluste der privaten Anleger durch Kreditpakete des IWF so gering wie möglich zu halten ("bail out"), sollten in Zukunft die privaten Investoren verstärkt für die Verluste aufkommen, die sie häufig durch leichtsinnige Geschäfte selbst zu verantworten haben. Dies würde die Risikobereitschaft der Anleger vermutlich dämpfen und damit den Umfang hochspekulativer Geschäfte verringern. Private Verluste müssen privat bleiben und dürfen nicht sozialisiert werden!
Entschleunigung internationaler Kapitalbewegungen: Um das hohe Tempo internationaler Kapitalbewegungen zu entschleunigen und kurzfristige Spekulation zu entmutigen, kann die Besteuerung grenzüberschreitender Kapitalflüsse (z.B. Tobin-Steuer) sinnvoll sein. Eine Börsenumsatzsteuer, die nur auf den Handel mit Aktien und Anleihen erhoben wird, nicht auf deren Erstkauf, würde den Anreiz für schnell wechselnde Dispositionen erheblich verringern. Die Finanzierung von Investitionen würde hingegen nicht verteuert, da die Steuer nicht auf Erstemissionen erhoben würde.
Neutralisierung von off-shore-Zentren und Steuerparadiesen: Investmentfonds, Banken und Spekulanten verlegen ihren juristischen Sitz deswegen in off-shore-Zentren, weil sie dort keine oder kaum Steuern zahlen müssen und sich der Aufsicht über ihre Finanztransaktionen völlig legal entziehen können. Bei diesen Freizonen handelt es sich jedoch in der Mehrzahl um von Industriestaaten abhängige Gebiete, die bewusst von dem jeweiligen "Mutterland" geschaffen und mit Sondergesetzen ausgestattet wurden. Sie sollten entweder ganz abgeschafft oder dadurch neutralisiert werden, dass Finanzinstitute verpflichtet werden, keine Geschäfte einzugehen, die über diese Zonen laufen.