´EU-Handelspolitik trifft die Armen´- Menschenrechte und Umwelt angemahnt
Der Druck wird verstärkt, da der EU-Handelskommissar Karel de Gucht mit dem Ausschuss für internationalen Handel (INTA) des Europäischen Parlaments zusammenkommt, um die künftige Politik in Brüssel zu diskutieren. Die Aktivisten von S2B appellieren an den INTA, die aktuelle Handelspolitik radikal zu überarbeiten. Dies ist die erste der Anhörungen im Europäischen Parlament, bevor die Europäische Kommission ihre überarbeitete Strategie veröffentlicht.
Trotz der Rhetorik für eine "nachhaltige Entwicklung" bleibt der Entscheidungsprozess der EU bei Handelsfragen untransparent und zielt in erster Linie darauf ab, den Interessen der europäischen Wirtschaft gerecht zu werden. Das aktuelle Handels-Strategiepapier "Global Europe, competing in the world", das 2006 verabschiedet wurde, macht wirtschaftliches Eigeninteresse zum Eckpfeiler der EU-Handelspolitik. In den letzten Jahren wurde dabei einigen Aspekten nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt:
- Menschenrechten, indem Handelsgespräche mit Diktatoren, wie Mugabe, begonnen und abgeschlossen und lasche Menschenrechtsklauseln akzeptiert werden.
- Arbeitsrechten, indem Verhandlungen mit Kolumbien, einem Land mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und regelmäßigen Morden an GewerkschafterInnen, abgeschlossen werden.
- Der Rechtstaatlichkeit und Demokratie, indem Verhandlungen mit dem Putschregime in Honduras abgeschlossen werden, obwohl die EU anerkennt, dass die Präsidentschaftswahlen im November 2009 unsauber verliefen.
- Regionaler Integration, indem auf Verhandlungen mit einzelnen AKP-Staaten und mit Ländern der ASEAN und der Andengemeinschaft gedrängt wird.
- Der Entwicklung, indem die unterschiedlichen Entwicklungsniveaus in lateinamerikanischen und asiatischen Ländern, mitunter in Indien, ignoriert werden und die spezifischen Bedürfnisse und Schwierigkeiten der Afrikanischen, Karibischen und Pazifischen Länder in den EPA-Verhandlungen übergangen werden.
- Der Ernährungssicherheit, indem auf den Zugang zu den Märkten armer Länder für hoch subventionierte Agrargüter gedrängt wird, ohne dabei adäquaten Schutz für lokale Bauern und Bäuerinnen zu bieten, deren Lebensgrundlage von der Konkurrenzfähigkeit auf diesen Märkten abhängt.
- Dem Zugang zu Medikamenten, indem intellektuelle Eigentumsrechte wie in den EU-Kolumbien Verhandlungen gestärkt und damit der Profit von Pharmazieunternehmen über den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten gestellt wird.
- Der Umwelt, indem Europas Bedarf nach Rohstoffen über das Ziel nachhaltiger Entwicklung und der Souveränität der Völker über ihre nationalen Ressourcen gestellt wird und Drittländer aufgefordert werden, Handelsbarrieren für Rohstoffe abzuschaffen.
- Der Souveränität von Entwicklungsländern und zukünftiger Entwicklung, indem Drittländern eine Politik aufgezwungen und ihnen nicht die Möglichkeit gelassen wird, adäquate Strategien zum Schutz nachhaltiger Entwicklung zu etablieren.
- Der Transparenz und Beratung, indem wenig oder keine Informationen über Handelsgespräche herausgegeben werden, in einem nur geringen Maß die Möglichkeit für einen wirklichen politischen Dialog und kein angemessenes Feedback auf den Input aus der Zivilgesellschaft gegeben wird.
- Der Gendergerechtigkeit, indem ignoriert wird, dass Handelspolitiken auf Männer und Frauen unterschiedliche Auswirkungen aufgrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung auf dem Markt und im Haushalt haben und aufgrund des unterschiedlichen Zugangs für Männer und Frauen zu Ressourcen und Dienstleistungen. Stattdessen verstärken sie bereits existierende geschlechtsspezifische Ungleichheiten und soziale Exklusion.
- Der Nachhaltigkeitsprüfung, die Handelspolitik nicht beeinflussen sondern nur über mögliche Maßnahmen zur Minimierung der Auswirkung der unvermeidbaren Folgen von Freihandelsabkommen auf arme Länder informieren kann.
- Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments, da das EP kein Mitspracherecht bei der Formulierung des Mandats zu Verhandlungen hat undHandelsgesprächen und Handelsbestimmungen nur zustimmen oder ablehnen kann.
Bis Ende Juli ist noch eine Anhörung für Kommentare über die neue Strategie geöffnet. Allerdings ist die Anhörung in großem Maße gelenkt und lässt nur wenig Spielraum für eine Kritik an dem auf Unternehmerinteressen ausgerichteten Fokus der Europäischen Kommission.
Der Vertrag von Lissabon hat die Handelspolitik zum integralen Bestandteil der gemeinsamen Außenpolitik der Europäischen Union gemacht. Er sollte den allgemeinen Grundsätzen der EU, darunter die Armutsreduzierung, nachhaltige Entwicklung und die Wahrung der Menschenrechte, dienen. Dies kann aber nicht geschehen, wenn diese Grundsätze zu "wünschenswerten Extras" herabgestuft werden, sondern nur, indem sie im Zentrum der zukünftigen Handelspolitik stehen.
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Nicola Jaeger
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