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Flutung des Drei-Schluchten-Reservoirs in China beginnt - Umsiedlungsprobleme weiter ungelöst

Morgen soll mit der Auffüllung des Stausees am umstrittenen Drei-Schluchten-Damm in China begonnen werden. Das Großprojekt, das in umwelt- und entwicklungspolitischen Fachkreisen auch als "Tschernobyl der Wasserkraft" bezeichnet wird, macht die Vertreibung von 1,2 bis 1,9 Mio. Menschen notwendig. Bislang wurden allerdings erst 640.000 Menschen umgesiedelt. Ein Teil von ihnen ist inzwischen in die Heimatregion zurückgekehrt, da die gezahlten Entschädigungen nicht ausreichten, um sich in der Umsiedlungsregion eine neue Existenz aufzubauen.

Heffa Schücking, Geschäftsführerin der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald ist besonders verärgert über die Haltung der deutschen Bundesregierung: "Schon Mitte Januar sind die beteiligten Ministerien von uns schriftlich aufgefordert worden, angesichts der bevorstehenden Flutung umgehend Maßnahmen zum Schutz der Menschen im Yangtze-Tal zu ergreifen. Es ist absolut unverständlich, dass wir auf diesen Brief bis heute noch nicht einmal eine Antwort erhalten haben". Sie fordert deshalb: "Der Bundeskanzler, der Außenminister und die Entwicklungshilfeministerin müssen endlich handeln. Es müssen deutliche Signale gen China ausgesendet werden, dass die Bundesregierung die fortlaufende Verletzung von Menschenrechten und die Zwangsvertreibungen am Yangtze-Fluss nicht länger stillschweigend zu dulden bereit ist."

Nichtregierungsorganisationen weltweit zeigen sich besorgt über die Sicherheit der in der Projektregion lebenden Menschen und befürchten massive weitere Menschenrechts-verletzungen: "Die chinesische Regierung macht jetzt Ernst und flutet das Drei-Schluchten-Reservoir, obwohl noch Menschen dort ausharren. Es ist unfassbar, dass die internationale Staatengemeinschaft es kommentarlos duldet, dass die Menschenrechte der Betroffenen mit Füßen getreten werden", empört sich Heike Drillisch, Sprecherin der Umwelt- und Entwicklungsorganisation WEED.

Gerhard Timm, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): "Eine rot-grüne Regierung, die sich zu Umweltschutz und Menschenrechten bekennt, darf zum Drei-Schluchten-Staudamm nicht schweigen. Die sozialen und ökologischen Folgen dieses Mega-Projekts sind immens. Hunderttausende Menschen werden vertrieben, der Wasserhaushalt einer ganzen Region aus dem Gleichgewicht gebracht, Städte und Industrieanlagen mitsamt ihren Schadstoffen geflutet, gewachsene regionale Strukturen zerstört. Und das mit Hilfe deutscher Kredite und Bürgschaften. Nachhaltige Entwicklungsarbeit sieht anders aus."

Hintergrund: Der seit 1994 im Bau befindliche Drei-Schluchten-Staudamm am Yangtze ist mit einer geplanten Kapazität von 18.000 Megawatt das weltgrößte Energieprojekt. 1,2-1,9 Millionen Menschen, die in der Projektregion leben, müssen den Wassermassen weichen, die voraussichtlich bis 2008 insgesamt 140 Städte und 326 Dörfer im berühmten Drei-Schluchten-Tal überfluten werden. Der Drei-Schluchten-Damm wurde u.a. durch Exportkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und Hermesbürgschaften der letzten beiden Bundesregierungen ermöglicht. Weitere Länder, die Exportkredite oder -versicherungen vergaben, sind Brasilien, Kanada, Frankreich, Schweden und die Schweiz.

Ein langjähriger Beobachter des Projektes dokumentierte im Auftrag des International Rivers Network gravierende Menschenrechtsverletzungen bei der Umsiedlung der lokalen Bevölkerung. Die Betroffenen erhielten häufig kein oder nur unfruchtbares Land, neue Häuser seien unerschwinglich und die versprochenen Arbeitsplätze kaum vorhanden. Schwere Fälle von Korruption verschärften die ohnehin prekäre Lage der Bevölkerung. Eine unabhängige Beschwerdeinstanz, an die sich die Menschen wenden könnten, um für eine faire Entschädigung zu streiten, gebe es nicht. Viele der Umzusiedelnden, die friedlich gegen solche Vorkommnisse protestierten, seien verhaftet und zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden.

"Im Januar 2001 habe ich bei der Regionalregierung von Kaixan um Hilfe gebeten. Ich habe bei den Behörden in Chonquing und in Peking Beschwerde eingelegt. Aber anstatt mein Anliegen anzuhören, bin ich von der Polizei geschlagen und zurückgebracht worden", klagt ein Bauer aus Kaixan in einem Interview mit der chinesischen Journalistin Yi Ming vom 28.3.2003. "Unsere Freunde, die in unserem Namen ein Hilfegesuch stellten, sind verhaftet worden und sitzen nun schon seit einigen Jahren im Gefängnis".

Vergeblich hatten Vertreter von Nichtregierungsorganisationen bei einem Treffen der UN-Menschenrechtskommission in Genf am 31.3. von China eine Verschiebung der Flutung bis zur Klärung der Umsiedlungsfrage und zur Lösung anhänglicher Menschenrechts-verletzungen eingefordert. Ohne Folgen blieb bislang auch die Aufforderung der NROs an die Regierungen der westlichen Industrienationen, sich für die Einhaltung internationaler Standards bei der Umsiedlung im Drei-Schluchten-Tal einzusetzen. Dabei haben diese durch die Vergabe von Exportgarantien und -krediten den Bau des Riesendamms erst möglich gemacht.


Weitere Informationen: Der Augenzeugenbericht über Menschenrechtsverletzungen ist beim International Rivers Network unter www.irn.org erhältlich, weitere Hintergrundinformationen über das Drei-Schluchten-Projekt bei Three Gorges Probe unter www.ThreeGorgesProbe.org und bei urgewald unter www.urgewald.de .

Kontakt:

Heffa Schücking, urgewald, Tel. 02583-1031, urgewald@urgewald.de Heike Drillisch, WEED, Tel. 030-275 82 249, heike.drillisch@weed-online.org Jan Kowalzig, BUND, Tel. 030-27586468, jan.kowalzig@bund.de

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