Mehr Befragung als Bericht: Berlins Vergabebericht verfehlt sein Ziel
Berlin, 08.04.2025
Nachdem der Berliner Senat Mitte März den Vergabebericht 2024 beschlossen hat, wurde er nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Ziel, die Umsetzung und Wirksamkeit des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes zu untersuchen, wurde – wie auch in den vorherigen Berichten – verfehlt.
Der dritte von bis dato sechs fälligen Berichten macht wieder deutlich, dass Berlin die Datengrundlage fehlt, um die Wirkung des Gesetzes zu beurteilen. Es wurde erneut eine Befragung der Wirtschaft und nun zumindest auch der Beschaffungsstellen durchgeführt, die sich auf Fragen der Praktikabilität und Handhabung des Gesetzes beschränkt. „Wenn das politische Ziel lautet, die faire Beschaffung zu stärken und passende Maßnahmen dazu verabschiedet werden sollen, muss die Frage im Bericht doch lauten, ob der Anteil nachhaltiger Produkte am Beschaffungsvolumen gestiegen ist. Diese Frage kann das Land Berlin seit nunmehr 14 Jahren nicht beantworten“, sagt Alexander Schudy vom Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag (BER).
Insgesamt ist der Bericht wenig aussagekräftig in Bezug auf die Effekte nachhaltiger Beschaffung. „Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, Steuergelder für gute Arbeit und umweltfreundliche Produkte auszugeben. Das sind gesellschaftlich relevante und wichtige Ziele, für die es keine Bewertung oder Legitimation braucht. Stattdessen braucht es eine Umsetzung in der Breite und echte Wirkungsmessung, um diese Ziele zu erreichen“, so Tina Haupt vom Verein Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung.
Auch Katja Karger, Vorsitzende des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg, ist enttäuscht: „Dass dieser Bericht Grundlage einer Vergaberechtsreform sein soll, ist nur schwer nachvollziehbar. Zum Beispiel wird nicht untersucht, ob die Kontrollen ausreichen, weder qualitativ noch quantitativ.“ Der Bericht mache jedoch deutlich, dass eine Kontrolle der Einhaltung nachhaltiger Beschaffung und Tariftreue sehr wichtig ist und gestärkt werden sollte. Bei 19 % im Jahr 2020 und 16 % im Jahr 2023 aller von der zentralen Kontrollgruppe kontrollierten Aufträge wurden Verstöße festgestellt.
Gabi Jung, Landesgeschäftsführerin des BUND Berlin sagt: „Die Ausrichtung des Vergaberechts an starken Sozial- und Nachtigkeitsstandards ist eine Stärkung sowohl der Berliner Wirtschaft als auch der öffentlichen Hand. Der Senatsbericht sollte mit aussagekräftigen Daten dazu beitragen, das Vergaberecht weiter zu entwickeln, um Berlin auch oder gerade in unruhigen Zeiten resilienter zu machen. Beispielsweise trägt ein Kriterium ‚Klimaneutralität‘ bei der Beschaffung und Auftragsvergabe dazu bei, mittelfristig Kosten zu senken und sich energieunabhängiger zu machen.“
Bei aller Kritik an der fehlenden Datengrundlage und Methodik des Vergabeberichts, unterstreicht dieser jedoch die breite Akzeptanz der Zielstellung des Gesetzes, nachhaltige Beschaffung und Tariftreue zu stärken. Sowohl Vergabestellen als auch Unternehmen und Wirtschaftsverbände äußerten breite Zustimmung zu dem Gesetz und seinen Zielen. Stellschrauben zur Verbesserung sahen sie vor allem im Praxisbereich. Der Vergabebericht kommt zum Schluss, dass vieles für den Bedarf nach weiteren Schulungen spricht und unterstreicht die Wichtigkeit der Beratung durch die Kompetenzstelle für Faire Beschaffung Berlin. Beide Aspekte fordert und unterstützt das FAIRgabe-Bündnis bereits seit langem. An dieser positiven Wahrnehmung des Gesetzes und praktischen Schritten zu einer noch besseren und flächendeckenden Umsetzung sowie der Stärkung der Kontrollen muss sich nun auch die anstehende Evaluation des BerlAVG durch den Berliner Senat orientieren.
Das Berliner FAIRgabe-Bündnis besteht aus entwicklungs- und umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen, Verbänden und Gewerkschaften. Gemeinsam setzen wir uns dafür ein, dass Aufträge der öffentlichen Hand in Berlin unter Berücksichtigung ökologischer, sozialer und fairer Kriterien vergeben werden. Ob Güter, Dienstleistungen oder Bauaufträge – das Land Berlin gibt Jahr für Jahr gewaltige Summen aus und kann mit einer fairen Vergabe zu mehr globaler Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit beitragen. Das FAIRgabe-Bündnis wurde 2007 ins Leben gerufen und betreibt seitdem Bildungs-, Kampagnen- und Öffentlichkeitsarbeit, um die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung an die Verantwortung der öffentlichen Hand zu erinnern. Zurzeit besteht das Berliner FAIRgabe-Bündnis aus BUND Berlin, Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER), Deutscher Gewerkschaftsbund Berlin Brandenburg und WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V.
Kontakt
Tina Haupt
Koordination des Berliner FAIRgabe-Bündnisses
kontakt@weed-online.org
030-275 82249
FAIRgabe-Bündnis: www.fairgabe.berlin