Mit Essen spielt man nicht!
Berlin, 27. Juni 2011.
Heute setzt sich der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in einer öffentlichen Anhörung erstmals mit der Nahrungsmittel-Spekulation auseinander. Oxfam, Misereor und WEED warnen mit ihrer Aktion "Bis die Blase platzt" vor der Zunahme des Hungers in den armen Ländern, die durch maßlose Spekulation befördert werde. "Mit Essen spielt man nicht!", erklären sie und fordern die Abgeordneten auf, sich bei der Bundesregierung für die Eindämmung von exzessiven Nahrungsmittel-Spekulationen einzusetzen. Seit Mitte 2000 nehme die Spekulation, insbesondere in den USA, dramatisch zu. Ungeheure Geldsummen würden in die Warenterminmärkte gepumpt und damit extreme Preissprünge ausgelöst.
G20 und EU-Finanzmarktreform-Prozesse bieten Regulierungschancen
Auf internationaler und europäischer Ebene böten sich jetzt die Chancen, die unkontrollierte Spekulation an den Warenterminmärkten zu bändigen und wirksame Regulierungen zu verabschieden. "Bundeskanzlerin Merkel sollte die Initiative des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy unterstützen und die skeptischen angelsächsischen G20-Mitglieder überzeugen, dass die Regulierung der Warenterminbörsen unverzichtbar ist", fordert Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale. Laut OECD und FAO sei die Wissenschaft sich fast einig, dass ein hohes Ausmaß an Spekulation an den Warenterminbörsen kurzfristige Preisbewegungen verstärke.
Auch auf europäischer Ebene bestünde aktuell die Chance, Transparenz zu verbessern, den außerbörslichen Handel (OTC) zu regulieren und exzessiven Spekulationen durch Handelsbeschränkungen wie Positionslimits vorzubeugen. "Die Bundesregierung darf sich nicht von der Finanzbranche einlullen lassen", erklärt Markus Henn, Finanzexperte bei der Entwicklungsorganisation WEED. Die Regulierung der Finanzmärkte sei wichtig, um die Warenterminmärkte funktionsfähig zu halten und die Weltagrarmärkte zu stabilisieren. "Davon profitieren sowohl Bauern und Bäuerinnen als auch Verbraucher/innen", so Henn. Die Rohstoffmärkte seien zu wichtig, als dass man sie allein den Finanzspekulanten überlassen könne.
Nahrungsmittelreserven aufbauen, um arme Menschen vor Preissprüngen zu schützen
"Es geht nicht nur um die Kontrolle von Terminmärkten. Um den Hunger weltweit zu bekämpfen und arme Menschen vor Preissprüngen zu schützen braucht es einen Paradigmenwechsel in der Rohstoffpolitik", betont Benjamin Luig, Agrarreferent bei Misereor. Die Bundesregierung müsse sich auf internationaler Ebene für den Aufbau öffentlicher Nahrungsmittelreserven einsetzen, um das Nahrungsmittelsystem unabhängiger von den Börsen zu machen. "Langfristig müssen auch die Kartellstrukturen im physischen Rohstoffhandel angegangen werden. Eine Handvoll Konzerne beherrscht heute weltweit den Handel mit Weizen und Soja. Spekulation mit Nahrungsmitteln beschränkt sich keineswegs nur auf die Terminmärkte", so Luig.
Link zur Anhörung: www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/34794987_kw25_pa_elv/index.html
Foto-Stunt am Schiffbauerdamm beim Reichstag
Oxfam, Misereor und WEED machen mit einem Fotostunt auf die unheilvolle Spekulation mit Nahrungsmitteln aufmerksam. Um einen Roulettetisch sitzen Spekulanten. Ihr Wetteinsatz sind keine bunten Chips, sondern Naturalien - Weizen, Mais, Reis. Daneben schwebt ein Ballon - die "Rohstoff-Börse". Während die Spekulanten zocken, wird die Spekulationsblase immer größer und größer, bis sie irgendwann zerplatzt! Daraufhin ziehen sich die Spekulanten dezent vom Spieltisch zurück und stellen sich an die Seite. Niemand will es gewesen sein. Keiner stellt sich der Verantwortung.
Bilder des Stunts gibt es ab 14 Uhr hier zum Download: www.oxfam.de/multimedia/fotostunt-spekulation
Fakten:- US-Weizenmarkt: 2002 war das Verhältnis Futures zu reeller Produktion 1 zu 11; 2004: 1 zu 16, 2007: 1 zu 30. - Im Zeitraum 1996 bis 2008 stieg an der Chicagoer Börse der Anteil der Finanzspekulanten bei Weizen von 32 Prozent auf 65 Prozent, während der Anteil derjenigen, die sich am Warenterminmarkt gegen Preisrisiken absichern ("Hedger"), von 68 Prozent auf 35 Prozent sank. - Über die Indexfonds floss seit 2004 viel Kapital in Agrarrohstoffe. Die "Investitionen" stiegen von 13 Milliarden US-Dollar im Jahr 2003 auf 317 Milliarden US-Dollar im Juli 2008.
Weitere Informationen: www.oxfam.de/mahlzeit www.weed-online.org/themen/finanzen/index.html www.misereor.de/themen/hunger-krankheit/hunger-bekaempfen.html www.makefinancework.org/startseite-deutsch/
Pressekontakte: Adréana Peitsch, Oxfam Deutschland e.V., Tel.: 030 - 45 30 69 35, E-Mail: apeitsch@oxfam.de; Marita Wiggerthale, Oxfam Deutschland e.V., Handy: 0162/13 86 321; Daniela Singhal, Misereor Büro Berlin, Tel.: 030 - 30 44 35 19 88, E-Mail: singhal@misereor.de; Benjamin Luig, Misereor, Handy: 0176/62017285; Markus Henn, WEED, Handy: 0176/376 30 916.