Zum Inhalt springen

Pokerspiel um die Entschuldung der ärmsten Länder

G 7 zur geplanten Schuldeninitiative zerstritten. Eine durchgreifende Lösung der Schuldenkrise der ärmsten Länder droht am politischen Unwillen der nördlichen Gläubiger zu scheitern. WEED fordert eine Trendwende im Schuldenmanagement zugunsten der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der ärmsten Länder.

Kurz vor dem Weltwirtschaftsgipfel in Köln am 18. und 19. Juni in Köln haben sich die Regierungen der reichsten Industriestaaten (G 7) in einen lähmenden Streit über einen vielfach angekündigten Schuldenerlaß für die ärmsten hochverschuldeten Länder (HIPC) verstrickt. Damit sinken die Hoffnungen der 41 ärmsten Länder auf eine durchgreifende Schuldenentlastung dramatisch. Die Gruppe der ärmsten Länder ist bei den nördlichen Industrieländern mit ca. 210 Mrd. US-Dollar verschuldet. Der laufende Schuldendienst an die nördlichen Gläubiger überfordert diese Länder ökonomisch und zieht wichtige Finanzmittel aus zentralen staatlichen Sozialdiensten wie Gesundheit, Bildung oder Wohnen ab.

In den letzten Monaten haben einige Regierungschefs, allen voran Bundeskanzler Schröder*, neue Schritte zur Entschuldung angekündigt. Im Zentrum aller Vorschläge steht eine Ausweitung und Beschleunigung der 1996 ins Leben gerufenen HIPC Initiative. Erklärtes Ziel dieser Initiative ist ein "tragfähiges Schuldenniveau" zu erreichen. Als wichtigster Indikator bei der Definition von Tragfähigkeit dienen die Exporterlöse in ihrem Verhältnis zum Schuldenstand bzw. zum Schuldendienst. Bisher gilt die Schuldenlast eines Landes als nicht tragfähig, wenn das Verhältnis zwischen Auslandsverschuldung und Exporterlösen über 200% liegt und es über 20% seiner Exporterlöse für den Schuldendienst aufbringen muß.

Einige G7 Regierungen wollen nun die Belastungsgrenze auf 150% absenken, was zum einen höhere Erlaßquote bedeutet und zum anderen mehr ärmste Länder von der HIPC-Initiative einbeziehen würde. Beides treibt die Kosten der Entschuldungsinitiative für die nördlichen Gläubiger in die Höhe.

"Über die Einstufung der Belastungsgrenze ist ein unerträgliches Gefeilsche ausgebrochen. Dabei stehen nicht die betroffenen Menschen, die massiv unter Armut leiden, im Mittelpunkt, sondern alleine der Zahlungswille der reichsten Industrieländer", kritisiert Barbara Unmüßig, Vorstandsvorsitzende von WEED. "Das derzeitige Gerangel um die Finanzierung der Schuldenerleichterung verheißt nicht Gutes. Unterm Strich wird auch nach dem G 7 Gipfel in Köln keine nennenswerte Entlastung für die betroffenen Länder herauskommen, wenn die G 7 Regierungschefs selbst hier keinen Durchbruch zustande bringen".

Eine ernstgemeinte erweiterte und beschleunigte HIPC-Initiative z.B. entlang des britischen Vorschlages (z.B. Belastungsgrenze auf unter 150% gesenkt) würde nach Schätzungen von IWF und Weltbank ca. 42 Mrd. US-Dollar kosten. Da diese Kosten sich auf mehrere Jahre erstrecken und von verschiedenen Gläubigern (Regierungen, multilaterale Finanzinstitutionen) und Quellen (z.B. IWF-Goldverkauf) aufgebracht werden müssen, ergibt für die nördlichen Regierungen eine geschätzte zusätzliche Belastung von allenfalls 2,5 Mrd. US-Dollar pro Jahr. "Angesichts der Summen, die die G 7 für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Balkanländer aufbringen werden, werden die Ärmsten mit Brotkrumen abgespeist", sagt Barbara Unmüßig. WEED fordert deshalb vor allem die deutsche Regierung auf, sich in Köln für eine substantielle Schuldenerleichterung, die diesen Namen vor allem in quantitativer Hinsicht verdient einzusetzen.

Auch in qualitativer Hinsicht scheint sich an der Strategie des Schuldenmanagement der nördlichen Gläubiger nicht viel zu ändern. So sind die Bedingungen dafür, wann sich ein Land für die HIPC qualifiziert, sind andere als geklärt zwischen den G 7 Ländern. Nach wie vor bleibt die Schuldenerleichterung von der ununterbrochenen Durchführung eines Strukturanpassungsprogramms abhängig. Im Rahmen der HIPC-Initiative gilt bislang eine "Bewährungsfrist" von bis zu sechs Jahren, ehe ein Land in den Genuß von minimalen Erlassen kommt. Die kanadische, britische und deutsche Regierung plädieren nun für eine Halbierung dieser Frist. Hier blockieren vor allem die USA, Frankreich und der IWF. Trotz der scharfen Kritik an der sozialen und ökologischen Folgen der vom IWF verordneten Medizin denkt bislang keine G 7 Regierung an eine grundlegende Reform der Strukturanpassungsauflagen. Zwar wird zunehmend davon geredet, daß im Gegenzug zu Schuldenerleichterungen von den Schuldnerländern armutsorientierte Programme und generell eine "solide Amtsführung"(good governance) erwartet werden. Eine Antwort darauf, wie dies gerade unter dem strengen Diktat der IWF-Strukturanpassungsprogramme erfolgen soll, das u.a. zu drastischen Kürzungen staatlicher Ausgaben und zum Export um beinahe jeden Preis zwingt, bleiben die G 7 Länder schuldig.

Insgesamt ist eine grundlegende Reform der bestehenden Konditionalitäten der Strukturanpassungsprogramme ebenso notwendig wie die Einführung eines grundsätzlich neuen Verfahrens im Schuldenmanagement. Ein internationaler Insolvenzmechanismus muß die Bedingungen neu definieren, nach denen Ländern nach ihrer Zahlungsunfähigkeit ein wirtschaftlicher Neuanfang ermöglicht werden kann.

Vieles spricht dafür, daß ein ursprünglich zentrales Gipfelthema am politischen Willen, die Entschuldung auch tatsächlich zu finanzieren, scheitert. Wiederaufbaupläne für die Balkanregion stehen den G7 näher als ein Schuldenerlaß für die Ärmsten. WEED fordert Bundeskanzler Schröder deshalb auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und den bundesdeutschen Finanzbeitrag wesentlich zu erhöhen und gemeinsam mit Großbritannien und Kanada Druck auf die Bremser Japan und Frankreich auszuüben. "Die ärmsten Länder brauchen echte Solidarität und ökonomische Unterstützung und nicht nur wohlfeile Lippenbekenntnisse der reichsten Länder der Welt", kritisiert Unmüßig. "Seit mehr als fünfzehn Jahren sitzen die ärmsten Länder in der Schuldenfalle fest und leider fehlt auch in Köln der politische Wille, sie daraus zu entlassen."

  • Weitere Informationen sowie eine ausführliche Stellungnahme zur Kölner Schuldeninitiative der deutschen Bundesregierung können Sie beziehen bei WEED, Barbara Unmüßig, Tel.: 0228 - 766 13 21

Zurück