Pressemitteilung: Weltbank bewilligt Kredite für umstrittene Baku-Ceyhan Ölpipeline
Trotz massiver Proteste von zahlreichen Umwelt-, Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen hat die Weltbank am 4. November eine Entscheidung zugunsten der umstrittenen Oelpipeline von Baku, Aserbaidschan nach Ceyhan, Tuerkei (1) getroffen. Der IFC (International Financial Corporation), in der Weltbankgruppe zustaendig fuer private Unternehmen, hat Kredite in Hoehe von 250 Mio. US $ bewilligt. Zwar hatten die zahlreichen Einwaende und Bedenken gegen das Projekt eine kurze Verschiebung des Entscheidungstermins zur Folge, jedoch waehrte der Aufschub nicht einmal eine Woche. "Statt ernsthaft auf die geaeußerte Kritik einzugehen, hat sich die Weltbank dem Druck des Hauptsponsors BP gebeugt und trotz eingestandener eigener Bedenken das Projekt durchgewinkt," urteilt Regine Richter von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald.
Anfang Oktober, im Vorfeld der Weltbankentscheidung, hatten 15 internationale Nichtregierungsorganisationen eine detaillierte Analyse der Umweltvertraeglichkeitspruefung fuer den tuerkischen Teil der Pipeline vorgelegt, die zu dem Ergebnis kommt, dass das Projekt alle relevanten Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank bricht und dies in mindestens 153 Faellen (2). Der IFC hat diese Kritik als zu langatmige Tiefenanalyse abgetan, ohne jedoch tatsaechlich vor Ort die Richtigkeit der Vorwuerfe zu pruefen. "Offenbar schert der IFC sich nicht im geringsten um die eigenen Standards und betrachtet die vorgeschriebene oeffentliche Kommentierung von Projekten als reine Pflichtuebung", kritisiert Heike Drillisch von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation WEED. "So ruiniert die Weltbank endgueltig das Ansehen, das sie sich durch die Einfuehrung von Umwelt- und Sozialrichtlinien geschaffen hatte." Fuer das deutsche Stimmverhalten in der Weltbank war die Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul zustaendig.
Die Entscheidung wurde zudem getroffen, obwohl noch Verfahren und juristische Untersuchungen gegen das Projekt laufen (3).
Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen schauen nun gespannt darauf, wie die weiteren moeglichen Finanziers entscheiden werden: nach der Weltbank will die Osteuropabank am 11. November entscheiden. Und fuer Zulieferungen deutscher Firmen zum Bau der Pipeline sind bereits Hermesbuergschaften angefragt. "Das Versagen der Weltbank darf sich in den anderen Institutionen nicht wiederholen!" fordert Regine Richter von der Osteuropabank und Hermes.
Kontakt:
Heike Drillisch, WEED, 033203 - 771051; 030- 275 82 249
Regine Richter, urgewald, 030/44339169; 0170-2930725
Hintergrund:
(1) Die Baku-Tiblisi-Ceyhan (BTC) Pipeline soll Oel aus dem kaspischen Meer (aus dem Azeri-Chirag-Gunashli Oelfeld) von Aserbaidschan über Georgien in den tuerkischen Mittelmeerhafen Ceyhan transportieren. Ein von BP gefuehrtes Konsortium aus insgesamt 11 Firmen will das Oel auf westliche Maerkte bringen, ohne den Iran oder Rußland zu durchqueren. Dazu soll eine etwa 3 Mrd. US-Dollar teure Pipeline von 1760 km Laenge gebaut werden, die in Aserbaidschan 21 grosse Fluesse ueberqueren wird sowie durch ein fragiles Wuestenoekosystem und seismisch sehr aktive Gegenden laufen soll. In Georgien soll die Pipeline sechs grosse Fluesse ueberqueren und durch Gegenden verlaufen, die anfaellig sind fuer Erdrutsche und Erdbeben, zudem liegen dort laengs des Pipelineverlaufs wertvolle Waelder mit seltenen und bedrohten Arten. Das Projekt ist jedoch nicht nur wegen seiner moeglichen Umweltauswirkungen hoch kontrovers, sondern auch wegen seines Verlaufs durch ethnische Konfliktzonen (Aserbaidschaner-Armenier, Georgier-Russen, Kurden-Tuerken), moegliche Menschenrechtsverletzungen (massive Bedrohung von Projektkritikern in Aserbaidschan und der Tuerkei) und der Militarisierung der Region zum Schutz der Pipeline vor Anschlaegen.
(2) Vor allem im Bereich Konsultation stellt die Analyse zahlreiche Brueche der Weltbankstandards fest: so wurden nur 2% der Projektbetroffenen persoenlich konsultiert, die Kompensation fiel deutlich niedriger als versprochen aus und Landbesitzer wie -nutzer konnten die Kompensationshoehe nicht aushandeln, wie nach tuerkischen Recht eigentlich vorgesehen. Lokale Bedenken wurden nicht in den geplanten Verlauf der Pipeline aufgenommen.
(3) In Georgien ist eine Klage gegen die Umweltgenehmigung fuer das Projekt vom Gericht akzeptiert worden und anhaengig. Die Klage richtet sich gegen die Genehmigung des Verlaufs der Pipeline durch die Randzone des Borjomi-Nationalparks, die zudem im Wassereinzugsgebiet einer bedeutenden Mineralwasserquelle liegt. Obwohl nach georgischem Umweltrecht in solchen Gebieten keinerlei industrielle Aktivitaeten stattfinden duerfen, hatte BP Praesident Schewardnadse und die Umweltministerin unter Druck gesetzt und so die Umweltgenehmigung erhalten. Zudem untersucht die Europaeische Kommission zur Zeit, ob das zwischen der Tuerkei und dem BTC-Konsortium abgeschlossene Gastlandsabkommen den Beitrittsverpflichtungen der Tuerkei mit der EU widerspricht. Ebenso haben in Aserbaidschan Nichtregierungsorganisationen gerade Beschwerde bei Weltbank und Osteuropabank erhoben wegen weitreichender Korruption beim aserbaidschanischen Partner des BTC Konsortiums (Die aserbaidschanische OElfirma SOCAR haelt 25% im BTC-Konsortium, dessen groeßter Anteilseigner BP mit 30% ist, neben Unocal Corporation, ConocoPhillips und Amerada Hess Corporation - alle USA-, TotalFinaElf - Frankreich - und Agip-Aserbaidschan eine Tochtergesellschaft der ENI-Gruppe - Italien - sowie die norwegische Statoil, die japanische Itochu, Turkish Petroleum und INPEX).