Protest gegen "Entfesselungspaket" der Landesregierung NRW
Erst Anfang April dieses Jahres trat das Tariftreue- und Vergabegesetz (TVgG) NRW in novellierter Fassung in Kraft. Jetzt will die neue Landesregierung der CDU und FDP darin enthaltene Regelungen zur Einhaltung internationaler Arbeitsrechte und Umweltstandards beim öffentlichen Einkauf wieder abschaffen. Diesen Gesetzesentwurf bringt die Landesregierung NRW im Rahmen des "Entfesselungspakets" an diesem Donnerstag (16.11.2017) in den Landtag ein. Zivilgesellschaftliche Akteure protestieren mit einer öffentlichen Aktion am 16.11.2017 um 11.00 Uhr auf der Landtagswiese dagegen. In einer Petition unterstützen fast 50.000 Unterzeichner_innen den Protest.
Die öffentliche Hand beschafft in Deutschland jährlich Waren und Dienstleistungen im Wert von ca. 350 Milliarden Euro - eine erhebliche Marktmacht zur Durchsetzung von Nachhaltigkeitszielen. Entsprechend ruft das "Entfesselungspaket" breiten zivilgesellschaftlichen Protest hervor: "Menschenrechte werden in der Produktion beispielsweise von Berufsbekleidung tagtäglich verletzt - es darf nicht sein, dass solche Produkte von Steuermitteln gekauft werden!", so Marie-Luise Lämmle von FEMNET. "Auf dem Klimagipfel sagte Ministerpräsident Armin Laschet kürzlich, NRW sei auf dem Weg in ein neues Zeitalter der Nachhaltigkeit", so Christian Wimberger von der Christlichen Initiative Romero (CIR). Die Abschaffung grundlegender Sozialstandards und Umweltnormen zeuge aber von einer rückwärtsgewandten Haltung, ergänzt er. "Wir fordern besonders die Landtagsabgeordneten der CDU auf, diesem Vorhaben nicht zuzustimmen. Es darf nicht sein, dass wir mit einer christlichen Partei in der Regierung die Ausbeutung von Menschen weltweit vorantreiben!", so Pfarrer Dietrich Weinbrenner, Beauftragter für nachhaltige Textilien bei der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Vereinten Evangelischen Mission. Etwa 50.000 Menschen haben binnen kürzester Zeit eine Petition der Grünen Abgeordneten von Sven Giegold und Berivan Aymaz gegen das geplante Sozial- und Umweltdumping unterzeichnet.
Die Behauptung der Regierung, die Regelungen haben ihre Ziele nicht erreicht, sind laut dem Bündnis nicht haltbar. Das Unternehmen Kienbaum evaluierte 2015 die Wirkung des Gesetzes und stellte dabei fest, dass es zu einer Stärkung sozialer und ökologischer Aspekte in Unternehmen geführt hat. Auf der Grundlage des Gesetzes haben Städte wie Dortmund, Bonn und Köln bereits erfolgreich höchste Sozialstandards für Berufsbekleidung gefordert. 2012 hatte die Rot-Grüne Landesregierung das Gesetz erstmals verabschiedet und kam damit Forderungen entwicklungspolitischer Organisationen nach, die Einkaufsmacht der öffentlichen Hand zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der weltweiten Konsumgüterproduktion zu nutzen. Das Gesetz sieht vor, dass beim Kauf von elf sog. gefährdeten Produktgruppen wie z.B. Bekleidung, Holz, Natursteine und IT-Produkte die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) eingehalten werden müssen. Diese beinhalten die Achtung der Gewerkschaftsfreiheit, das Recht auf Kollektivverhandlungen sowie das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz. Im April 2017 verabschiedete die Landesregierung der SPD und Bündnis 90/Grüne eine novellierte Fassung des Gesetzes.
NRW hätte damit aus der Sicht von Menschenrechtsorganisationen die fortschrittlichste Regelung.
Die unterzeichnenden Organisationen fordern die Landesregierung in NRW auf, das Tariftreue- und Vergabegesetz beizubehalten, beim Einkauf mit gutem Beispiel voranzugehen und Kommunen durch die vorgesehenen Einrichtungen bei der Umsetzung zu unterstützen.