Trotz Finanzkrise: EU erschwert in Freihandelsverhandlungen die Kontrolle von Finanzdienstleistungen
Auf einen Blick:
- Während der aktuellen Finanzkrise fordert selbst die Bundeskanzlerin öffentlich die Regulierung der Finanzmärkte.
- Dennoch verhandelt die EU weiter mit zahlreichen Staaten Freihandelsabkommen, die eine weitere Liberalisierung von Finanzdienstleistungen vorsehen und den derzeitigen Re-Regulierungsinitiativen entgegenstehen.
- WEED ruft wie viele andere zivilgesellschaftliche Akteure aus Nord und Süd dazu auf, die geplanten Liberalisierungen der Finanzdienstleistungen zu stoppen
Hintergrund:
Nachdem sich die WTO-Verhandlungen seit Jahren äußerst schwierig gestalten, setzt die EU verstärkt auf bilaterale Freihandelsabkommen. In den derzeit laufenden Verhandlungen wird u.a. auch stark auf weitere Marktöffnungen für Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche gedrängt. Kontrollen und Regulierungen werden erschwert oder sollen sogar als "Handelshemmnis" verboten werden. Das zeigt die neue Studie "Aus der Krise nichts gelernt? Liberalisierung von Finanzdienstleistungen in neuen EU-Handelsabkommen" der Nichtregierungsorganisation WEED (Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung) und dem Forum Umwelt und Entwicklung. Derzeit verhandelt die EU unter anderem mit Indien, Südkorea und den zehn ASEAN-Staaten. Sie möchte im Rahmen ihrer aggressiven "Global Europe"-Strategie unbegrenzten Zugang zu wichtigen globalen Wachstumsmärkten erhalten. Das gilt auch für die Verhandlungen von Kooperationsabkommen mit China, Mittelamerika, einigen Andenstaaten sowie 79 Ländern aus Afrika, der Karibik und des Pazifik. In diesen Verhandlungen werden von Seiten der EU bis heute Forderungen zur Liberalisierung von Finanzdienstleistungen erhoben. Das gilt beispielsweise auch pauschal für sogenannte "neue Finanzprodukte", die nicht näher spezifiziert werden, zu denen aber auch Hedge-Fonds gezählt werden. Dabei gehen die Forderungen im Bereich der Finanzdienstleistungen über die Verpflichtungen im GATS, dem Dienstleistungsabkommen der WTO, hinaus: Einschränkung von Kapitalverkehrskontrollen, schwache Bank- und Kapitalmarktaufsicht, Beschränkung der Möglichkeit eines Verbots bestimmter spekulativer Geschäfte, Einschränkung der Regulierung von Banken, Einschränkung von Anforderungen an die Kreditvergabe. Viele dieser vorgesehenen Liberalisierungsmaßnahmen stehen den aktuellen Bemühungen um eine Re-Regulierung der Finanzmärkte diametral entgegen.
Christina Deckwirth, WEED-Expertin für Handelspolitik, kritisiert die Vorstöße der EU zur weiteren Liberalisierung und Deregulierung der Märkte für Finanzdienstleistungen scharf:
"Die Kontrolle der globalen Finanzmärkte ist überlebensnotwenig. Das zeigt die derzeitige Wirtschaftskrise, die ja von der Finanzwirtschaft ausgelöst wurde. Selbst europäische Staatschefs fordern mittlerweile eine stärkere Regulierung von Finanzdienstleistungen. Ihre Statements stehen im scharfen Kontrast zur realen Politik der EU in den laufenden Verhandlungen über Freihandelsabkommen. Hier agiert die EU weiterhin im Interesse jener skrupellosen Finanzkonzerne, die für die Krise und ihre Folgen verantwortlich sind."
Kontakt für weitere Informationen: Christina Deckwirth; 030-27582249, 0177-6332862; christina.deckwirth@weed-online.org