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WEED wandert nach Davos

Im Januar tagt wie jedes Jahr das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos. Es kommen Vertreter*innen großer Unternehmen und Staaten zusammen – „um den Zustand der Welt zu verbessern“. Warum wir die Proteste gegen das WEF untersützen, lest ihr hier.

WEF-Protestzug

Im Januar ist es wieder so weit. Vom 20. bis 24.01. tagt das Weltwirtschaftsforum (WEF). In Davos kommen Vertreter*innen großer Unternehmen und Staaten zusammen – „um den Zustand der Welt zu verbessern“ wie das WEF selbst schreibt. Wir sehen das anders: Die Profiteure und Verursacher der weltweiten Krisen werden nicht die Lösungen liefern! WEED unterstützt deswegen die Protestwanderung gegen das WEF.

Das WEF
Das WEF wurde 1971 vom deutschen Ökonomen Klaus Schwab ins Leben gerufen und trug ursprünglich den Namen „European Management Conference“. Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge der Unternehmen sowie öffentliche Zuschüsse. Wirtschaftsvertreter*innen, Politiker*innen und andere hochrangige Akteure besprechen hier – so die Selbstdarstellung des WEF – zukunftsweisende Entscheidungen. Wer die Fokusthemen des WEF betrachtet stellt tatsächlich fest, dass wichtige Themen auf der Agenda stehen. Unter den Kernthemen des WEF finden sich zum Beispiel Klima- und Naturschutz oder Finanz- und Währungssysteme, „um den Planeten, Menschen und Gemeinschaften zu unterstützen“.

Die Auseinandersetzung mit den dort geführten Debatten zeigt allerdings, dass die privilegierten Anwesenden nicht willens oder fähig sind, tatsächlich die Gespräche zu führen, die sie angesichts wachsender Ungleichheit und ungebändigter Klimakrise führen müssten. Statt systemische Gründe für die vielen Krisen in den Fokus zu rücken, bleibt die gegenwärtige Weltwirtschaftsordnung in Davos unangetastet. Aus unserer Sicht zeigt sich hier das Problem mit dem WEF auf zwei Ebenen.

Unsere Kritik am WEF
Zunächst ist es auf einer Ebene wichtig zu prüfen, was tatsächlich an Lösungen im WEF vorangebracht wird. Aus unserer Sicht werden die Lösungen des WEF die Klima- und Biodiversitätskrise nicht lösen. Auch hat das WEF keine Antworten auf Fragen globaler Ungleichheiten und es fehlen klare Positionierungen gegen die Zunahme von autoritären Strömungen. Die Stiftung, die das WEF organisiert, gibt zwar kritischen Stimmen regelmäßig das Wort. Auch hat die Stiftung in den letzten Jahren durchaus Raum geschaffen, um über Umweltkrisen zu sprechen. Wirtschaftliches Wachstum bleibt jedoch Zentrum und Zielhorizont der Debatten. Global gerechte Alternativen zu gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzsystemen kommen nicht auf den Tisch.

Das Problem mit dem WEF ist aus unserer Sicht vor allem ein strukturelles. Auf einer tieferliegenden Ebene ist das WEF ein Ort, an dem Herrschaft reproduziert wird. Es ist nicht verwunderlich, dass grundsätzliche Systemfragen in Davos nicht gestellt werden, da die Menschen, die in Davos diskutieren zum allergrößten Teil vom Status quo profitieren. Machtstrukturen, Ungleichheit und Kapitalismus auf Kosten anderer werden hier nicht transformiert, sondern reproduziert. Wir sind überzeugt, die Krisenverursacher werden die Krisenbewältigung nicht liefern.

Das WEF gibt Konzernen, die von Umweltzerstörung, Ausbeutung und Krieg profitieren, die Möglichkeit, sich als Problemlöser darzustellen und bietet so eine internationale Bühne für Greenwashing. Sogar fossile Unternehmen wie RWE präsentieren sich als grüne Treiber der Energiewende, dabei waren es in den letzten Wochen eben diese Konzerne, die bei der Klimakonferenz noch für eine Verlängerung des fossilen Zeitalters lobbyiert haben. Der WEF-Fokus auf private Akteure und den Markt als Heilsbringer spielt dabei auch in den gegenwärtigen Trend, öffentliche Gestaltungsmacht einzuschränken. Während Regulierung, Vergesellschaftung und Demokratisierung von Wirtschaftsaktivitäten kaum irgendwo in der Welt en vogue sind, bietet das WEF eine große Plattform für Appelle für eine stetig wachsende Führungsrolle der transnationalen Privatunternehmen. So beobachten wir aktuell eine wachsende Leerstelle, was staatliche Verantwortungsübernahme anbelangt. Die Politik muss aufhören, die Verantwortung für Krisenmanagement und sozial-ökologische Gestaltung an private Unternehmen auszulagern anstatt genau diese Akteure in die Pflicht zu nehmen. Privates Kapital, Großkonzerne und Investmentgesellschaften sind keine Akteure der Problemlösung von Klima- und Verteilungsfragen, sondern Kernteile des Problems. 

Schließlich bleibt das „Welt“ in „Weltwirtschaftsforum“ ein fragwürdiger Begriff. Abseits davon, dass sich nur wenige ein Ticket für das WEF leisten können, bleibt auch die Repräsentation aus vielen Kontexten der Welt äußerst begrenzt. Zu Recht hatten Protestierende in den letzten Jahren das WEF als „World Neocolonial Forum“ betitelt. Wenn man der Kritik Kwame Nkrumahs folgt, dass Wirtschaftssysteme in vielen Kontexten der Welt weiterhin auch fremdbestimmt bleiben, leistet das WEF dazu einen wichtigen Beitrag.

Gerade darin, wie das WEF in den vergangenen Jahren seinen eurozentrischen Rahmen erweitert hat, wird klar, was für eine Vorstellung von „Welt“ hier vertreten wird. Im vergangenen Jahr konnte sich die faschistische indische BJP Regierung breit auf der Hauptstraße in Davos als innovativer Investmentpartner präsentieren und mit dem indischen Konzern Adani ist einer der Treiber von Umweltzerstörung in Indien ein strategischer Partner des WEF. Auch für autoritäre Bewegungen bleibt das WEF eine Bühne zum Reinwaschen.

Gegen Rechte Narrative und Verschwörungsideologien
Für uns ist klar und wichtig, mit unserer Kritik auch kruden rechten, antisemitischen und verschwörungstheoretischen Erzählungen entgegenzutreten. Das WEF wird in den letzten Jahren für die Neue Rechte als Anlass genommen, globale Vernetzung und Austausch zu verteufeln und einen militarisierten Wirtschaftsnationalismus zu bekräftigen. Auch grassieren Verschwörungstheorien, die Davos mit antisemitischen Chiffren als einen Ort darstellen, an dem sich eine geheime globale Elite trifft und die Weltwirtschaft kontrolliert.

Seitdem Schwab 2020 das Buch „Covid 19 - Der Große Umbruch“ veröffentlicht und die WEF-Initiative „The Great Reset“ gestartet hatte, wettern verschwörungsideologische Kreise von der Installation einer neuen Weltordnung, zugunsten der Eliten und auf Kosten der einfachen Bevölkerung. Wer sich mit Schwabs Vorschlag des Stakeholder-Kapitalismus auseinandersetzt, erkennt schnell, dass wir weder einen gerechten und nachhaltigen Systemwandel erhoffen können, noch einen großen Umbruch im Sinne der Verschwörungsideolog*innen befürchten müssen. Es sind nicht die konspirativen Hinterzimmergespräche, sondern die strukturellen, systemischen Dynamiken der aktuellen Wirtschaftsform, welche die Klimakatastrophe und die extreme Ungleichheit befeuern. Daher bleibt differenzierte, empirisch untermauerte Kritik essentiell. Emanzipierte Kritik und Proteste brauchen besonders in Zeiten des Aufschwungs autoritärer Bewegungen eine klare Abgrenzung gegenüber Ideen, die auf einen homogenen Nationalstaat und die Entmenschlichung bestimmter Gruppen abzielen.

Wir tragen die Kritik nach Davos!
Auch wenn Schwab löblicherweise appelliert, dass ein „Business as usual“ nicht weiter möglich und wünschenswert ist, verwandelt das WEF Davos jedes Jahr erneut in eine „Weiter so“-Arena. Weil ein „Weiter so“ für die meisten Menschen und Lebewesen auf dieser Welt nicht funktioniert, sollte es diese WEF-Arena in der Form nicht mehr geben und zukunftsweisende Debatten sollten in demokratisch legitimierte Räume verlagert werden.

WEED unterstützt deshalb die Protestwanderung nach Davos! Wir werden mehrere Workshops vor und während der Wanderung gestalten und vor Ort eine laute Stimme für eine gerechte Weltwirtschaft sein!


Infos

  • Autor*innen : Adrian Schlegel, Leonie Bröcheler
  • Referat: Global Governance, Handelspolitik, Internationale Finanzen (allgemein), Konzernmacht, Steuergerechtigkeit

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